Original Wald Königsberger Marzipan

Das Königsberger Schloss

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen.

(Friedrich Schiller: Wilhelm Tell)

Zeitgeschichtliches

Das Licht der Erinnerung scheint die alte Stadt mit dem klingenden Namen in einen verklärenden Glanz zu hüllen, golden, dem Blick durch einen Bernstein gleich, der an den Küsten Samlands auch heute noch gefunden – geschmuggelt – und verarbeitet wird. Im Südosten der Halbinsel Samland liegt sie, in den Pregelniederungen, die einstige preußische Haupt- und Residenzstadt Königsberg (seit 1724), mit ihrer wechselvollen Geschichte, die viel von Eroberungen und Kriegen handelt und 1946 in einer schmerzhaften Zäsur ihren alten Namen und die alte Bevölkerung verlor und nun Kaliningrad heißt.

Gleichwohl lebt sie in den Erinnerungen der einstigen Bewohner und ihrer Nachkommen fort in den Bildern, die die stolze Schöne vor 1944 und den folgenden Zerstörungen bot und bleibt so lebendig in Geschichten und Mythen, fast selbst zum Mythos geworden, obwohl die neuen Bewohner – mit einer anderen Geschichte – vieles Alte den Trümmern entrissen und zu neuem Ansehen verhalfen. Nur nicht jenes Schloss, das einst auch der Stadt den Namen gab, das 1944 in zwei Nächten dauernder Luftangriffe der Royal Air Force in Feuerstürmen niederging und dessen Ruinen 1968 auf Befehl Leonid Breschnews gänzlich entfernt wurden und fast nichts mehr an Glanz und Größe zu erinnern vermag. Nur alte Postkarten zeigen noch sein Abbild, lassen die Gedanken in ferne Zeiten schweifen, an die früheste Entstehungsgeschichte der einstigen preußischen Residenz: Königsberger SchlossKönigsberger Schloss.
Twangste hieß einst jene Wallburg der baltischen Prussen, die in der Pregelmündung lag und mit ihrem dazugehörigen Dorf, dem Dorfplatz und kleinen Hafen, die sowohl von Wikingern als auch später den Lübecker Kaufleuten frequentiert wurde, die über die Ostsee regen Handel betrieben. Doch eine höhere Wertschätzung und Bedeutung erhielt der alte Burgwall als der Deutsche Orden im Laufe seiner 1230 einsetzenden Eroberungen Preußens 1255 an jener Stelle eine Ordensburg mit Hilfe der Fronarbeit eines großen Heeres der eroberten Prussen erschaffen ließ, die zu Ehren des Kreuzzugführers König Ottokar II. von Böhmen und Eroberers, der über das gefrorene Eis des Frischen Haffes nach Samland gelangt war, den Namen Königsberg erhielt. Einst prägte auch dieses Gebäude, neben dem Dom in typischer nordischer Backsteingotik, das Stadtbild des alten Königsberg, geschichtsträchtig, aber immer jenen Zeitläuften der Geschichte unterworfen, die bauliche Veränderungen erforderten und infolgedessen auch das Gesicht der Stadt immer wieder neu entwarfen in der Umgebung dieses alten Wahrzeichens – des Königsberger Schlosses.

Viele Entwicklungen hatten die Jahrhunderte gebracht, die auf dem Burgwall des alten prussischen Twangtse enstandene Feste Königsberg erwählte 1312 der Ordensmarschall des Deutschen Ordens zu seinem Sitz, führte während des ganzen 14. Jahrhunderts die sog. „Litauischen Kriege“ von dieser Ordensburg aus, die schließlich ab 1457 den Hochmeistern des Ordens als Residenz nach dem Verlust der Marienburg in Danzig diente. Es war kein Zufall, dass der 21-jährige Markgraf von Brandenburg-Anspach, aus dem fränkischen Hohenzollerzweig stammend, 1511 zum 37. Ordens-Hochmeister gewählt wurde; denn er Orden gedachte, sich mit Hilfe dieses Enkels des polnischen Königs der zugesagten polnischen Gefolgschaft entledigen zu können. Aber der junge Markgraf begeisterte sich für die Lehren des Reformators Martin Luther und verwandelte 1525 (auf Empfehlung Martin Luthers) den Ordensstaat in ein reformiertes Herzogtum, mit Residenz im Königsberger Schloss und der nachfolgenden Regierungsgewalt der Brandenburger Kurfürsten.

1526 feierte der junge Herzog in den alten Räumen des Ordens, den Remtern (Speisesäle), die beidseits des ältesten Viereckturmes des Schlosses lagen (und von ihm bis 1533 bewohnt wurden, in späterer Zeit als Museum des Deutschen Ordens dienten), seine Hochzeit mit Dorothea von Dänemark, zu der den Gästen, wie die Fama zu berichten weiß, auch schon die besondere Delikatesse Marzipan gereicht wurde. Ein Höhepunkt der Geschichte Preußens und damit Königsbergs und seines Schlosses gipfelte 1701 in der Krönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. im Audienzsaal des Königsberger Schlosses, der als König Friedrich I. von Preußen in die Geschichte einging. Damit war Königsberg zur zweiten preußischen staatlichen Residenz – nach Berlin – erhoben. Kühne Pläne hegte der preußische König für dieses Schloss, das er in einen imposanten Barockbau verwandeln wollte, Pläne, die nach seinem Tod fallen gelassen wurden und sich in der allmählichen Fertigstellung eines Flügels in der Südwestecke des Schlosses erschöpften. Nur einmal noch erlebte das Schloss königlichen Glanz in den nachfolgenden Zeiten mit der Königskrönung Wilhelm I. von Preußen 1861 in der zwischen 1584 und 1595 erbauten Schlosskirche.

Stadtwappen Königsberg

Königsberger Schloss

Baugeschichtliches

Die Zeit des Deutschen Ordens.

Der Zeitgeschichte unterworfen, zeigten sich die baugeschichtlichen Ereignisse um das Schloss ebenso vielfältig, beginnend mit der vorläufigen Errichtung einer schützenden Erdwallburg gegen den Pregel zu, bald nach der Inbesitznahme (1255) des prussischen Waldes Tuwangste oder Twangste (von Wangus – Holzschlag im Eichenwald, dem heiligen Baum der Prussen) durch den Deutschen Orden auf einem Hochplateau mit einer alten Prussenburg. Dieses „castrum antiquum“ behielt auch noch den später den Charakter einer Vorburg (später Kürassierkaserne, ab 1926 Gebäude der Reichsbank), gleichzeitig war aber mit dem Ausbau der Hauptburg begonnen worden, die schon nach wenigen Jahren so wehrhaft errichtet war, dass sie ab 1260 der drei Jahre lang andauernden Belagerung im Großen Prussenaufstand trotzen konnte. Mit dem Ausbau der Ringmauer, unterbrochen durch neun Wehrtürme, wurde erst nach der Niederschlagung des Aufstandes begonnen. Von diesen neun Wehrtürmen war nur der Haberturm an der Nordseite bis 1944 erhalten geblieben. Von der Innenseite des Hofes an die Ringmauer angelehnt, erstreckten sich die übrigen Gebäude, wie Stallungen und Wirtschaftsgebäude, die später dem Neubau des Wohnhauses des Ordensmarschalls weichen mussten. Den Raum des späteren Oberlandesgerichts nahm im 14. Jahrhundert das Kornhaus ein, an das sich nach Westen zu das Konventshaus mit Kirche, Remter und der Kapitelsaal anschlossen, damals das Wohnhaus des Ordensmaschalls mit einem alten Wehrturm an der Nordseite, einer anschließenden sog. Firmarie, der Kranken- und Siechenstation des Ordens, mit einer kleinen Kapelle (St. Anna-Kapelle). Schließlich wurde 1380 als Glocken- und Wartturm der spätere Schlossturm an der Südwestecke des Konventhauses errichtet. Mit der Vollendung dieses Schlossturmes, der – bis auf den Ansatz der Ecktürmchen – in seiner mittelalterlichen Gestalt bis ins 20. Jahrhundert erhalten geblieben war, wurde das baugeschichtliche Wirken des Deutschen Ordens abgeschlossen. In die beschriebenen Wohnräume des Ordensmarschalls zog nach dem Verlust der Marienburg im Jahre 1457 der Hochmeister ein und somit wurde die Ordensburg Königsberg in den Status einer Residenz der Hochmeister-Ordens erhoben.

Königsberger Schloss

Die Zeit der Herzöge von Preußen.

Die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum im Jahre 1525 und die Hochzeit des jungen preußischen Herzogs Albrecht, vorm. Markgraf zu Brandenburg, erforderte neue, modernisierte Gemächer; denn die Zeit der Renaissance entwand sich mittelalterlichem Denken in sämtlichen Wissenschaften. Die Errichtung der herzoglichen Hofhaltung mit erforderlichen Repräsentationsräumen und neuen Gemächern für sowohl die Herzogin als auch den Hofstaat sowie neue Verwaltungsräume verwirklichten Christian Hoffmann und Christof Römer nach den Vorstellungen des Herzogs. Zunächst wurde mit der Veränderung der Ostfront begonnen, ein rundbogiges Einfahrtstor, von zwei Pilastern und einem oben flach abgerundeten Giebelfeld umrahmt, ersetzte die mittelalterliche Toröffnung des Osttores, die Ostfront wurde ganz vollendet, und der ganze Südflügel bis 1569 erbaut, so dass die ehemalige Ordensburg in den Bautätigkeiten seit 1532 sich allmählich im Ost- und Südflügel in ein prächtiges Renaissance-Schloss verwandelte. Aber auch einige Nachfolger Herzog Albrechts, der im Übrigen als Begründer der berühmten Silberbibliothek zu sehen ist, ergingen sich in Bautätigkeiten, wie z.B. Markgraf Georg-Friedrich I. von Brandenburg-Ansbach-Kulmbach, dem es zu Repräsentationszwecken an einer Kirche und einem großen Fest- und Empfangssaal gelegen war, und so entstand binnen eines Jahrzehnts die zweischiffige, niedrig gehaltene, von zwei Rundtürmen begrenzte Schlosskirche und der prächtige Moskowitersaal. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg unterzog das Schloss Ausstattungen im niederländischen Barock.

Königsberger Schloss

Zeit der preußischen Könige.

Der Baumeister Ludwig Schultheiß von Unfriedt errichtete in den nachfolgenden Jahren der Königskrönung im Jahre 1701 einen neuen südlichen Barockflügel, den sog. (nach ihm benannten) „Unfriedtbau“. Der eigentliche Plan, der vorsah, den Ganzen niederzureißen und anstelle des Ostflügels einen dreigeschossigen Bau mit Triumphbogeneingang und zwei vorgezogenen Seitenflügeln zu errichten, wurde nicht ausgeführt. Zwar wurde 1705 mit dem Bau begonnen und bis 1712 zu einem Drittel durchgeführt, aber 1713 ließ König Friedrich Wilhelm I. das restliche Bauvorhaben stoppen. Institutionen der Landesverwaltung wie z.B. die Kriegsdomänenkammer und verschiedene Gerichte zogen ein. 1861 krönte sich König Wilhelm I. unter prächtigem Aufwand selbst in der Kirche, wenige Jahre später (1864-66) setzte Stülers einen neuen Turmhelm auf und erhöhte den Turm dadurch auf 82 Meter. Schon in dieser Zeit waren die königlichen Repräsentations- und Wohnräume, der Moskowitersaal und die Schlosskirche öffentlich zur Besichtigung zugänglich, Archiv und Bibliothek konnten frei genutzt werden.

Königsberger Schloss

Das 20. Jahrhundert – Weimarer Republik und Drittes Reich.

Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges diente das Schloss vermehrt als Behördenhaus und Museumsbau. In großen Teilen des Bauwerkes waren das Landesmuseum und die Gemäldesammlung untergebracht (u.a. mit 240000 Exponaten der Prussiasammlung), eine Sammlung der Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg mit der berühmten Silberbibliothek aus dem 16. Jahrhundert, eine Gemäldesammlung des Malers Lovis Corinth. Dass Schloss Königsberg während des Zweiten Weltkrieges als Depot erbeuteten russischen Kunstgutes – wie des berühmten Bernsteinzimmers oder der erotischen Sammlung von Katharina, der Großen – gedient haben soll, fällt möglicherweise in den Bereich der Mythen und Legenden; denn auch langjährige Grabungen in den einstigen Kellerräumen des Westflügels brachten keine wesentlichen Funde und neuen Erkenntnisse zutage.

Folgende Institutionen belegten die vier Flügel des geschlossenen Gebäudetrakt am Kaiser-Wilhelm-Platz) vor dem zweiten Weltkrieg:

Nutzung des Schlosses im Laufe der Jahrhunderte:

© Bundesarchiv, Bild 183-R94432 / CC-BY-SA 3.0

Abgesang:

Das Schloss ist in den Feuerstürmen und Beschüssen des Jahres 1944 untergegangen, seine Ruine gegen die Proteste der russischen Studenten und Intellektuellen auf Befehl Leonid Breschnews „als fauler Zahn des preußischen Militarismus“ 1968 gesprengt. Über 700 Jahre eines geschichtsträchtigen Bauwerkes waren mit einem Schlag verloren und dahin. Wenn auch verschiedene Pläne das Schloss historisierend (wie es mit dem Fischerdorf geschehen ist) nachzubauen, gefasst wurden, es bliebe nur ein Nachbau, ohne den Atem der Vergangenheit, dem Flair seiner einstigen Bewohner in den alten Mauern.

Was ist letztlich von Preußens Glanz und Gloria im einstigen Königsberg geblieben?
Alte Postkarten … und …. Marzipan (wie am Hofe Herzog Albrechts in längst vergangenen Tagen).