Koenigsberger Marzipan ist in der Welt gefragt

Königsberger Marzipan ist in der Welt gefragt

Schon der russische Zar Nikolaus liebte das Marzipan der ostpreußischen Familie Wald. Seit 1948 wird es in Charlottenburg hergestellt. Ralf Bentlin setzt die Tradition fort.

Das Rezept verrät Ralf Bentlin nicht: Wie viele Mandeln in sein Marzipan kommen, wie viel Zucker und was sonst noch hineingehört: „Familiengeheimnis“, sagt er. Paul Wald brachte das Wissen 1939 aus Königsberg mit, seine Frau gab es an die Enkel weiter. Wer nicht zur Familie gehört, wird nicht eingeweiht. Selbst die Mitarbeiter dürfen nicht in die Küche, wenn Ralf Bentlin Mandeln und Zucker mischt, die Masse knetet, Konfekt ausstanzt und die Stücke „abflämmt“, damit das Königsberger Marzipan die typische Bräunung bekommt.

Das Ergebnis ist für viele seiner Kunden ein Stück Kindheit. Königsberger Marzipan, das gab es zu besonderen Anlässen in ostpreußischen Familien. Die Tradition behielten viele aus der Heimat geflüchteten Ostpreußen auch nach dem Zweiten Weltkrieg bei.

Aber nicht nur sie kauften von 1948 bei Paul Wald die Herzen, verschnörkelten Konfektstücke und Marzipanbrote nach Königsberger Rezept. Dass es an der Pestalozzistraße in Berlin-Charlottenburg besonders gutes Marzipan gab, sprach sich in Berlin schnell herum.

Pralinen mit Gin und Tequila

Der Konditor war schon 1939 aus Königsberg nach Berlin gekommen, neun Jahre später eröffnete er den Laden an der Pestalozzistraße. „Der hatte die richtige Größe, kostete nicht allzu viel Miete, außerdem wohnte die Familie ganz in der Nähe“, sagt Ralf Bentlin. Seine Ehefrau Irmgard hatte Paul Wald erst in Berlin kennengelernt, obwohl sie ebenfalls aus Königsberg stammte. 1941 heirateten sie, gemeinsam führte das Paar den Laden, bis Paul Wald 1985 starb und Irmgard Wald mit Tochter Anneliese weitermachte.

Bis zu ihrem Tod 2005 stand sie im Laden, in dem inzwischen die Urenkel beim Verkauf helfen. Der jetzige Chef Ralf Bentlin ist Ehemann einer Enkelin der Walds. Er modernisierte das kleine Geschäft, entwickelte neue Rezeptideen wie Cranberry-Gin- oder Tequila-Zitrone-Pralinen. Am geheimen Familienrezept aber änderte er nichts und auch nicht an der Art der Herstellung: „Wir machen alles in Handarbeit“, sagt er.

Auch die Zutaten sucht er selbst aus, probiert sich durch Mandeln und Rosenwasser aus aller Welt, bis er seine Wahl trifft. Ralf Bentlin schwärmt vom Rosenwasser aus dem Iran und von den Mandeln aus Moldawien. Manchmal denke er darüber nach, selbst Mandeln anzubauen, in Georgien zum Beispiell: Damit wäre er weniger abhängig von seinen Lieferanten und den steigenden Mandelpreisen: „Vor 15 Jahren haben sie die Hälfte gekostet.“

Die einfachste Lösung wäre, mehr Zucker in die Mandelmasse zu mischen. Aber dann wäre es nicht mehr das echte Wald-Marzipan, deshalb komme das für ihn nicht in Frage, sagt Ralf Bentlin. Die Leckerei nach Wald-Rezept habe schließlich schon Zar Nikolaus geschmeckt, der sein Marzipan bei Paul Walds Großeltern bezog. Und wo er schon mal beim Thema berühmte Kunden sei: Harald Juhnke sei früher regelmäßig vorbeigekommen, Loriot ebenfalls, „und auch jetzt kommen noch viele Promis“. Ostpreußen kommen hingegen immer weniger: „Es gibt ja gar nicht mehr so viele“, sagt Ralf Bentlin. Stattdessen kaufen die Enkelkinder ein, die Königsberg, Tilsit oder Elbing nur aus Erzählungen der Großeltern kennen, aber zu Weihnachten, bei Hochzeiten oder anderen großen Festen Königsberger Marzipan gegessen haben. Vor Weihnachten reiche die Warteschlange manchmal fast bis zur Suarezstraße.

Wer sich die Wartezeiten ersparen will, kann seit einigen Jahren im Onlineshop bestellen. „Wir liefern in die ganze Welt“, sagt Ralf Bentlin. Sogar dem Sultan von Oman habe er schon Konfekt aus der Pestalozzistraße geschickt. Andererseits wartet es sich ausgesprochen schön in dem kleinen Laden: zwischen rosa gestreiften Tapeten, den Bildern aus Königsberg und den Porträts der Unternehmensgründer, vor den Vitrinen mit den bunt verpackten Pralinenkugeln und den zart gebräunten Konfektstücken, mit Marzipanschweinen und -hunden, vor Mini-Marzipanbroten für 2,80 Euro und dem 1044-Gramm-Laib für 57 Euro, und vor allem: in dem süßen Mandelduft, der auch dann in der Luft liegt, wenn die Produktion in der Backstube hinter dem Verkaufsraum gerade ruht.

Ideensuche in Kaliningrad
Paul und Irmgard Wald kehrten nie in ihre Heimatstadt zurück. Ralf Bentlin aber will sich noch in diesem Jahr auf den Weg in das heutige Kaliningrad machen. Er habe von einer Russin gehört, die dort wieder Marzipan mache, die wolle er besuchen, um sich mit ihr über Rezepte und Produktion auszutauschen. Neue Ideen sucht er ständig. Am Grundrezept wird er trotzdem nichts ändern, und natürlich wird er der Kaliningrader Kollegin auch nicht verraten, wie genau er seine Pralinen- und Konfektmasse mischt. Das Geheimnis bleibt in der Familie.

Quelle: Berliner Morgenpost

Foto: Foto: Amin Akhtar
Autor: Anette Nayhauß
Datum: 17.Juni.2014